Auftakt Faire Woche 2023 Hamburg: Fair. Und kein Grad mehr! Klimagerechtigkeit und Fairer Handel
Auf dem Podium im Jupiter nahmen auf dem Sofa Isabel Tadmiri und Suganthi Thangavelu von der indischen Erzeugergemeinschaft LastForest Platz. Andrea Gerhard (l.) moderierte die Veranstaltung. Melanie Kursawe (r.) übersetzte.
Die „Faire Woche“ vom 15.-29. September steht in diesem Jahr im Kontext der Klimagerechtigkeit weltweit. Die Menschen im globalen Süden leiden besonders unter den Folgen der Klimaerwärmung. Zur Auftaktveranstaltung am 15.9. im Jupiter im Hamburg waren als internationale Gäste Isabel Tadmiri und Suganthi Thangavelu aus der indischen Erzeugergemeinschaft LastForest angereist, deren Hauptprodukt Honig auf einzigartige Weise geimkert wird. Tadmiri und Thangavelu berichteten davon, wie ihre Region vom Klimawandel betroffen sei und wie es sich auf den Honigertrag auswirke. Eine Einführung in das Thema Klimagerechtigkeit hielt Judith Meyer-Kahrs von der Nordkirche und fand aufrüttelnde Worte.
FAIR. Das ist das Thema vom 15.-29. September. „Fair“ sollte zwar immer das Thema sein, aber in dieser Zeit legt die „Faire Woche“ deutschlandweit besonders den Finger in die Wunde. Dieses Jahr geht es nicht nur um fair gehandelte Waren und Dienstleistungsströme, sondern das Motto in diesem Jahr lautet „#Fairhandeln für Klimagerechtigkeit weltweit“.
In der FairTradeStadt Hamburg fand dazu am Freitagnachmittag die Auftaktveranstaltung für die Hansestadt statt – parallel zur FridaysforFuture Demo, die auf der Straße für eine engagiertere Klimapolitik demonstrierten.
Im Jupiter an der Mönckebergstraße erinnerte Judith Meyer-Kahrs von der Nordkirche in ihrem Vortrag an die prekäre Situation, in der wir die Welt durch die Klimakrise gebracht hätten. Von den neun Kippschaltern, die einen Klimakollaps auf der Erde herbeiführen könnten, befänden wir uns laut einer Studie der Universität von Exeter bei zwei Punkten bereits in einem kritischen Stadium, bei der Erderwärmung und dem Artensterben. Meyer-Kahrs führte eindringlich aus, wie dringend es geboten ist, zu handeln. Auch im Hinblick darauf, dass der Süden, der so gut wie nichts zur Klimakrise beigetragen hat, besonders stark an den Folgen der Klimaveränderungen zu leiden hat. Es sei eine Frage der Klimagerechtigkeit zu handeln, das machte Meyer-Kahrs sehr deutlich. „Unsere globale CO2-Uhr ticke unaufhaltsam. Laut dem Mercator-Institut hat die Welt noch fünf Jahre Zeit, um die Auswirkungen der Erderwärmung auf das erträgliche 1,5 Grad Ziel zu begrenzen.“ Dafür seien radikale Anstrengungen von Nöten, wir müssten uns dafür endlich davon verabschieden, unseren Wohlstand auf den Einsatz fossiler Energien zu stützen. Doch davon seien wir noch immer weit entfernt. Sie zitierte die Oxfam-Studie aus dem Jahr 2022, wonach deren Berechnung zufolge die 125 Milliardär*innen im Durchschnitt aufgrund ihres Lebensstils genauso viele Emissionen ausstießen wie eine Million Menschen aus den ärmeren 90 Prozent der Weltbevölkerung zusammen.
Deswegen sind wir anderen nicht raus aus der Verantwortung. Denn es ist und bleibt der Lebensstil der allermeisten in der industrialisierten Welt, die zur Klimaerwärmung beitragen. Es seien 100 Unternehmen, die für 71% der weltweit ausgestoßenen Klimagase in der Industrie verantwortlich seien. Das sind mehrheitlich Unternehmen, die auf fossile Energien, wie Kohle, Gas und Öl setzen, zitierte Meyer-Kahrs den Carbon Majors Report. Meyer-Kahrs sagte eindrücklich: „Wir grillen die Erde wie ein Spanferkel. Die Frage ist, wer wird am stärksten gegrillt und wer betätigt die Kurbel?“ Die Antworten kennen wir alle.
Es sind die marginalisierten Gesellschaften, oft im globalen Süden, die durch unseren ungesunden Lebensstil gegrillt werden. Aber Kahrs erinnerte daran, dass die Menschen es noch es in der Hand haben, etwas gegen die Klimakrise zu tun. Wichtig sei, dass es nicht nur klimatische, sondern auch soziale Kipppunkte gäbe. Mehrere Studien, darunter eine von der Universität Graz, kommen zu dem Schluss, dass eine engagierte Minderheit – wenn sie erst eine kritische Masse erreicht habe, weitreichende Veränderungen und ein entschiedenes Gegensteuern in der Klimakrise in Gang setzen könne.
Unter gefährlichen Bedingungen wird der Honig von LastForest geimkert, hoch oben in den Berghängen. Doch die Honigsammler wissen genau, was sie tun. Jeder Handgriff sitzt. Foto: Homepage LastForest.in
Die Folgen des Klimawandels bereits zu spüren, bekämen die Menschen, die in der Erzeugergemeinschaft LastForest in der indischen Nilgiri-Bergregion, nachhaltig und naturverbunden imkerten, gärtnerten und naturnahe Produkte erzeugten. Die Bergregion gilt als „grüne Lunge“ im Süden Indiens. Isabel Tadmiri und Suganthi Thangavelu von LastForest waren extra nach Hamburg gereist und erzählten auf dem Podium im Jupiter von ihrer Arbeit .
Seit vielen hunderten von Jahren wird in den Blue Mountains, in den Wäldern an den hohen Felswänden des Nilgiris, ein einzigartiger Honig produziert. Die Menschen vor Ort sammeln den Honig aus den Bienenstöcken einer großen Wildbienen-Art (Apis Dorsata). Dazu steigen sie hunderte Meter hoch auf freischwingenden Leitern in die Kronen der gigantischen Bäume, um dort den Honig zu gewinnen. Ganz im Sinne des nachhaltigen Wirtschaftens werden aus dem Bienenwachs, früher ein Restprodukt das weggeworfen wurde, weitere Produkte gemacht, wie Kosmetik auf Honigbasis, Seifen, Süßigkeiten und seit Neuestem Bienenwachstücher, eine langlebige Alternative, um Produkte hygienisch abzudecken. Mittlerweile ist eine Kooperation entstanden, die 1600 Produzent*innen Arbeit gibt.
Isabel Tadmiri und Suganthi Thangavelu führten im Jupiter aus, wie der Klimawandel sich direkt auf ihr Leben und Arbeiten auswirke. Bei der Ernte des Honigs wie auch der Gewürze spiele eine Rolle, dass die Abfolge von starken Regenfällen und dann wieder länger anhaltenden Dürren alle Prozesse mittlerweile stark beeinflusse. Die Erntesaison, die traditionell zwischen April und Juni für den Honig liege, sei kürzer geworden. Wurden in der Vergangenheit im Schnitt fünf bis zehn Tonnen Honig gesammelt, seien es jetzt eher nur noch an die zwei Tonnen Honig, weil die Regenfälle so stark zugenommen hätten.
Das hat zur Folge, dass vor Ort Anpassungen vorgenommen würden. Um mit der Situation klarzukommen, würde versucht, sich z.B. auf weitere traditionelle Anbaumethoden zu besinnen. Hirse ist ein Nahrungsmittel, das traditionell in ihrer Region sehr gut wächst, es benötigt viel weniger Wasser als der Reisanbau und muss weniger intensiv bewirtschaftet werden und daher versuchten sie darauf hinzuwirken, dass jetzt wieder verstärkt Hirse angebaut würde. Isabel Tadmiri: „Wir hoffen darauf, dass unsere Produkte weiterhin so gut angenommen werden. Menschen auf der ganzen Welt schätzen sie und bestellen sie über unseren Online-Shop und trügen so dazu bei, dass unsere Gemeinschaft weiterhin nachhaltig und fair arbeiten und wirken könne.“
Auf die Frage von Moderatorin und Hamburgs Fair-Trade-Botschafterin Andrea Gerhard, ob in Ihren Gemeinschaften über den Klimawandel ähnlich kontrovers wie im globalen Norden diskutiert würde, verneinte dies Suganthi Thangavelu. Der Klimawandel sei bei ihnen bereits Realität, auch wenn sie ihn von der Begrifflichkeit nicht einmal so bezeichnen würden. Aber sie müssten sich bereits jetzt in vielfältiger Hinsicht mit der Situation der geänderten klimatischen Bedingungen auseinandersetzen und sich so gut es ginge anpassen. Die Erzeugergemeinschaft von LastForest setze darauf, weiterhin in ihrem Verbund nachhaltige Produkte anzubauen, wobei der traditionell angebaute Honig das Kernprodukt bliebe. Er sei Ausdruck ihrer kulturellen Verbundenheit zu ihren Wurzeln und Traditionen und daher wäre es auch keine Option, auf weniger riskante oder volatile Art Honig zu imkern, auch wenn es in Zukunft durch den Klimawandel noch schwieriger werden würde.
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