Warum tut keiner was?

Die Mehrheit der Gesellschaft ist sich bewusst, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wurde und eine elementare Herausforderung für uns darstellt. Das Wissen ist vorhanden, dass große Anpassungen erfolgen müssen, um die Erderwärmung auf ein noch erträgliches Maß zu begrenzen. Und dennoch tun wir noch immer viel zu wenig. Wie dieser Widerspruch psychologisch zu erklären ist, führte Psychotherapeutin Katharina van Bronswijk bei einer Lesung und Gespräch anlässlich der Vorstellung ihres neuen Buches „Klima im Kopf“ am 1. Juni in der Christianskirche in Hamburg aus.

Der Abend begann mit einer gedanklichen Reise zum persönlichen Wohlfühlort der Zuhörer*innen. Eine Mini-Zeit- und ortsreise zu einem Platz, der Ruhe, Geborgenheit und Abschalten bedeutete. Sehr willkommen in einer Zeit, in der die Weltlage eine schlechte Nachricht nach der anderen produziert und wenn es nicht Krieg, Elend und soziale Kälte sind, so bleiben noch immer die beunruhigenden Berichte über den fortschreitenden Klimawandel und die damit einhergehenden Zerstörungen und Umwälzungen, die bei Menschen ungute Gefühle auslösen. Kein Wunder könnte man sagen, dass Menschen beginnen eine Klimaangst zu entwickeln.  Das war das Thema am 1. Juni beim Kirchhofsommer in der Christianskirche in Hamburg. Psychotherapeutin Katharina van Bronswijk beschäftigte sich an diesem Abend mit dem Themenkomplex „Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht.“

 

Van Bronswijk hat gerade das Buch „Klima im Kopf“ zu diesem Thema veröffentlicht. Sie kennt sich mit den Zusammenhängen zwischen psychischen Belastungen und der Herausforderung, die die Klimakrise mit sich bringt, aus. Sie ist Gründungsmitglied von „Psychologists and Psychotherapists for Future  e.V.“ und neben ihrer Arbeit als Psychotherapeutin berät und begleitet sie Klimaaktivist*innen, darunter von „Fridays for Future“ und „Extinction Rebellion“ psychologisch.

Natur hat heilsame Kräfte und damit Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Wenn wir uns einen Wohlfühlort vorstellen sollen, wählen viele Menschen einen naturbezogenen Ort. Wie die Mehrheit der Zuhörerinnen und Zuhörer bei der Miniübung zu Beginn des Gesprächsabends.

Doch wie ist es zu erklären, dass wir Menschen dabei sind, unsere Natur, die so elementar wichtig für uns ist, zu zerstören? Wir zerstören genau das, was uns guttut. Wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen.

Warum also tut keiner was?

 

Als rationale Wesen sind wir uns den wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass die Erde an ihre planetaren Grenzen stößt, bewusst und dennoch handeln wir nicht. Tatsächlich sind es nur 6% der Menschen in Deutschland, die den menschengemachten Klimawandel leugnen, wie van Bronswijk ausführte. Der Rest weiß, dass es Zeit ist, etwas zu verändern. Es liegt also nicht an den Fakten, dass wir nicht tätig werden. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären?

„Das Umweltbewusstsein ist hoch, doch wenn man die meisten Menschen fragt, was sie denn persönlich tun, dann heißt es, ich trenne den Müll. Dass allerdings tun wir schon seit vielen Jahren. Das reicht aber nicht“, wie Katharina van Bronswijk mahnte. „Es klafft eine Lücke zwischen Wissen und Handeln. – Willkommen im Reich der Psychologie“, fügte van Bronswijk mit einem Lächeln hinzu.

Die Psychotherapeutin schonte uns nicht.

Begrenztes Denkvermögen sei eine der Erklärungen. Wir neigen dazu, Informationen in bekannte Schubladen zu pressen. Und leider besitzen Menschen ein beschränktes Vorstellungsvermögen, führte van Bronswijk aus. Klimainformationen sind sehr abstrakte, komplexe Probleme. Von der bedrohlichen Annahme, dass in 200 Jahren die Pazifikinseln vom Meer verschluckt werden, ginge kein direkter Handlungsimpuls für uns Menschen aus. Das lässt sich auch aus der Evolutionsgeschichte ableiten. Unsere Vorfahren in weit zurückliegenden Zeiten mussten auf direkte Gefahren, nicht aber auf in der Zukunft liegende Ereignisse, reagieren.

Zudem fühle sich der Mensch auch ein Stück weit gekränkt, wie van Bronswijk den Forschungsstand aus der Umweltpsychologie zitierte. Denn durch den Klimawandel sind unsere eigenen Privilegien in Gefahr.

Wer hört schon gerne, dass wir die gewohnte Lebensweise ein stückweit aufgeben sollen. Wir wollen unseren Status Quo nicht verlieren.

 

Psychotherapeutin Katharina van Bronswijk sagte, dass es angesichts der gewaltigen Herausforderung, der wir uns durch den Klimawandel gegenübersehen, richtig und wichtig ist, wenn man so etwas wie eine Klimaangst verspürt. Dafür müsse man sich nicht schämen. Klimaangst sei nicht behandlungsbedürftig. Trotz des ernsten Themas gab es auch viele lustige Momente an diesem Abend.

In der Folge lenken wir uns von den Problemen ab. Da gibt es verschiedene Strategien.

Viele Menschen klammern sich an den Technikglauben. Unsere Ingenieure werden das schon richten. Nun ist es allerdings so, dass die Ingenieure den Ball zurückspielen. Sie alleine werden es nicht richten können. Oder wir menschlichen Wesen schieben die Verantwortung anderen zu, wie der Politik. Das wirkt beruhigend. Wir sagen uns, ich als einzelner kann doch gar nichts wirklich tun, die anderen werden sich schon kümmern. 

Gewohnheiten abzuändern ist nicht einfach für uns Menschen. Davon können Psychologen ein Lied singen.

Raus aus der Glücksfalle

Erschwerend kommt hinzu, dass wir in unserer modernen, individualistischen Gesellschaft dazu neigen, uns hauptsächlich über Leistung und Konsum zu definieren. Sag mir welchen Jobtitel du besitzt, welches Auto du fährst, welche Reisen du machst, und ich sage dir, wer du bist. Falsch. Davon sollten wir uns freizumachen, sagte Katharina van Bronswijk.

Dabei ist die Einordnung in gesellschaftliche Strukturen ein Problem. Wir leben zwar in einer individualistischen Gesellschaft, aber zum einen überfordert uns diese Wahlfreiheit häufig und zum anderen stechen wir nicht gerne aus der Masse heraus. Der Mensch ist ein Mitläufer. Wir orientieren uns daran, wie die Mehrheit lebt. Wenn ein Großteil der Gesellschaft noch immer einen CO2 intensiven Lebensstil pflegt und Vorbilder angehimmelt werden, die euphorisiert Konsumgüter anhäufen, dann sehen wir das als Norm an und wollen dazu gehören. Zumal damit die irrige Vorstellung verbunden ist, dass dieser Lebensstil Glückseligkeit verheißt.

„Überhaupt, müssen wir uns davon lösen, immer glücklich sein zu wollen“, gab van Bronswijk  zu bedenken. „In unserer Wohlstandsgesellschaft besteht das Narrativ vom dauerhaften Glücklichsein. Das aber kann es nicht geben.“

Aber Zufriedenheit, die können wir erreichen. Raus aus der Glücksfalle kommen wir Menschen, wenn wir lernen, unangenehme Gefühle anzunehmen.

 Sie gehören zum Leben dazu. Wir dürfen also auch akzeptieren, dass Klimatrauer, Klimaangst und Klimawut wichtig sind und ihren Platz haben. Dabei kann helfen, dass wir mit anderen darüber reden. Und die Gefahr erkennen, in der wir uns durch die Folgen des Klimawandels befinden.

Damit einher geht, dass die Menschen Handlungsoptionen aufgezeigt bekommen, ein realistischer Optimismus soll gepflegt werden, dass wir die Transformation schaffen können. Von Lösungsgeschichten sollte mehr berichtet werden. Und die Menschen sollten dafür begeistert werden, Teil dieser Lösungsgeschichte zu sein. Dabei helfe es mehr, an den Stolz der Menschen als an ihre Schuld zu appellieren, wie van Bronswijk sagte. Der Stolz, bei der Transformation dabei zu sein, kann ein wichtiger Hebel sein. „Jeder solle sich fragen, wer und wie will ich gewesen sein?“, gab die Psychotherapeutin zu bedenken. Und wir sollten den Menschen immer wieder erinnern, dass wir Teil des Ganzen sind. Und die Wahl haben.

"Bildet Banden, sucht euch Gleichgesinnte"

Viktor Frankl, der österreichische Neurologe und Psychiater, der die Hölle der Konzentrationslager überlebt hat, schrieb, „Die einzige Freiheit des Menschen ist die Wahl.“

Wir haben die Wahl, Teil der Lösung zu sein. Wenn nun jemand einwendete, dass er aber nur ein kleines Rädchen sei, das nichts zu verändern vermöge, weil sich die Masse nicht bewegte, ließ das van Bronswijk nicht gelten. „Wenn sich ein kleines Rädchen in Bewegung setzt, verändert sich das ganze System.“, ist sie überzeugt. „Es geht dabei um soziale Kipppunkte. Studien sagen, wenn zehn bis fünfzwanzig Prozent der Gesellschaft mitmachen, kann sich das auf die Mehrheit auswirken.“

Das bedeutet, jeder der anfängt, kann etwas bewegen. Also ganz im Sinne der letzten Worte aus van Bronswijks Buch: „Bildet Banden, sucht euch Gleichgesinnte, die richtige Zeit zum Handeln ist jetzt.“

Foto: Katharina van Bronswijk und Pastor Frank Howaldt von der Christianskirche in Hamburg

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