„Wasserstoff wird der größte Business-Case des Jahrhunderts“

"Rettet Wasserstoff unser Klima und unsere Wirtschaft?"

Wasserstoff gilt als die (!) Zukunftstechnologie. Bei der Verbrennung von Wasserstoff entstehen keine schädlichen Gase, sondern als Endprodukt Wasser. Die Technologie steckt in vielen Bereichen noch im Entwicklungsstadium, ist also flächendeckend mehr Zukunftsmusik als Zukunftsgarant. Doch grüner Wasserstoff gilt als ein wichtiger Baustein der Energiewende. Und dank des großen Know Hows, das dazu in Deutschland und in Europa bereits existiert, könnte Deutschland in Verbund mit seinen europäischen Partnern ein Schlüsselstandort für die neue Wasserstoff-Ära werden. Wenn Deutschland seinen Vorsprung nicht wieder verschläft.

Wenn zur Herstellung des Wasserstoffs Erneuerbare Energien genutzt werden, wird von Grünem Wasserstoff gesprochen. Bild: acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften / HORIZONTE
 

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Wasserstoff – es ist das kleinste und älteste Element des Universums. Es ist auch das häufigste. Aber es liegt meist in gebundener Form, oft in Wasser, vor. Auf Wasserstoff ruhen große Hoffnungen. Es soll der Energiespeicher und Grundstoff der klimafreundlichen Wirtschaft werden. Bei den Berliner Energietagen, die vom 3.-5. Mai in virtueller Form und am 22. und 23. Mai in Präsenz stattfanden, wurde bei einer Podiumsdiskussion die Frage diskutiert „Rettet Wasserstoff unser Klima und unsere Wirtschaft?“

Zu diskutieren gab es da für die drei Podiumsteilnehmer, Ulrike Hinz WWF Deutschland, Policy Advisor Climate and Energy, Nikolas Iwan H2 MOBILITY Deutschland, CEO/Geschäftsführer und Prof. Dr. Robert Schlögl, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, nicht viel. Alle drei Experten waren sich einig, Wasserstoff wird ein zentraler Baustein der Energiewende und unabdingbar für eine zukünftige, klimafreundliche Wirtschaft sein. 

Wollen wir Wasserstoff nutzen, müssen wir ihn in seine reine Form umwandeln. Klimafreundlich wird das erst, wenn das mithilfe Erneuerbarer Energien erfolgt. Dann spricht man von grünem Wasserstoff.

Dafür wird allerdings viel Energie benötigt. In der Regel geht die Hälfte der eingesetzten Energie, es können aber auch noch bis zu 80 Prozent sein, für die Spaltung des Wasserstoffs und den Transport verloren.

Wow – das ist eine unglaubliche Zahl.

Warum brauchen wir vor diesem Hintergrund überhaupt Wasserstoff bei der Abkehr von den fossilen Energien? Können wir zukünftig nicht lieber alles mit Erneuerbaren Energien abdecken?

Die Zauberformel lautet „Power to X“ – die umfasst, was mit Wasserstoff theoretisch machbar ist. Dadurch, dass er auf unserem Planeten in unbegrenzten Mengen vorhanden ist und durch den Einsatz von Erneuerbaren Energien unendlich umwandelbar ist, könnte Wasserstoff  global viel der benötigten Energie CO2-neutral bereitstellen.

Wasserstoff eignet sich zum einen als Energiespeicher für Erneuerbare Energien, für Zeiten, wenn Sonne und Wind nicht im ausreichenden Maße zur Verfügung stehen. Bei allen besonders energieintensiven Industrieanwendungen wäre Wasserstoff das Mittel der Wahl. Zudem wird ein Drittel der Erde die Klimawende nicht mit Erneuerbaren Energien schaffen können, weil dort die klimatischen Voraussetzungen fehlen. Dagegen existieren fünfzig Orte auf der Welt mit einem potentiellen Überschuss an Erneuerbaren Energien. Sobald in diesen Ländern eine Erneuerbare -Energien -Infrastruktur Wirklichkeit geworden ist, gäbe es dort reichlich Überschuss an Energie.

Deswegen ist es sinnvoll, dort die Wasserstoffwirtschaft aufzubauen. Wichtig sind dabei langfristige, vertrauensvolle Partnerschaften mit möglichst vielen Regionen mit viel Sonne, Wind und freien Flächen einzugehen, wie Ulrike Hinz, vom WWF, betonte. Als Beispiele nannte sie Afrika, Südamerika oder Südeuropa. Hinz strich heraus, dass Europa technologischer Spitzenreiter bei hochwertigen Elektrolyseanlagen ist. Exportiert die EU die für Wasserstoffgewinnung benötigte Spitzentechnologie, profitieren beide Seiten, so Hinz‘ Appell. Europa könne klimafreundlichen Wasserstoff importieren, während in den exportierenden Regionen Arbeitsplätze und umweltgerechter Wohlstand entstünden.

Das sei bislang nur zu wenig in der Bevölkerung und auch noch nicht in ausreichendem Maße in der Politik angekommen, obwohl es langsam ein Umdenken gäbe. Global ist um Wasserstoff bereits ein Gerangel entstanden. Wer sichert sich zuerst, die besten Technologien und Bereitstellungsmärkte?

Europa, wo eine gemeinsame Energiepolitik dringend von Nöten wäre, wie Professor Schlögl konstatierte, wacht erst langsam aus dem Dornröschen-Schlaf der fossilen Energiewelt auf. Andere Länder sind da schon viel weiter. Nikolas Ivan, der mit seinem Unternehmen H2 Mobility Deutschland, den Großteil der insgesamt 100 vorhandenen Wasserstofftankstellen in Deutschland aufgebaut hat, ist ebenfalls enttäuscht von der hierzulande herrschenden Skepsis gegenüber der Zukunftstechnologie Wasserstoff. Südkorea hat in kürzester Zeit viel mehr Wasserstoffautos zugelassen, der weltgrößte Wasserstoff-Verflüssiger ist dort entstanden, Wasserstofftankstellen wurden in rasantem Tempo errichtet. „Andere Länder hängen nicht so sehr an alten Technologien wie wir hierzulande.“, so Ivan.

Bild: acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften / HORIZONTE

Dabei hat Wasserstoff große Vorteile. Beispiel Verkehrswende. Neben der Elektromobilität wird Wasserstoff helfen, fossile Energieträger zu ersetzen, besonders dort, wo große Distanzen zurückgelegt oder besonders schwere Güter transportiert werden, wie bei Flugzeugen, Schiffen und LKWS. Denn in diesen Bereichen gerät die Elektromobilität an ihre Grenzen. Batterien müssten gigantisch groß sein, um diese Anforderungen zu erfüllen. Wasserstoff vermag diese Lücke zu füllen.

Ein weiteres Beispiel: Energieintensive Industrie und chemische Produktion, ohne die Wasserstoff-Industrie könnten sie in andere Energie-preisgünstigere Regionen abwandern und hätten keine Zukunft mehr in Europa.

Professor Schlögl warnte davor, leichtfertig zu erklären, Deutschland und Europa könne auf wichtige Industriezweige, etwa die Stahlproduktion, verzichten. Das sei kurzsichtig und würde sich rächen, weil man sich in Europa erpressbar mache.

Der Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur wird allerdings teuer werden.

Klimafreundlicher Wasserstoff ist aktuell bei Weitem teurer als fossile Energien.

Auch wenn mit dem Ausbau der Wasserstoffwirtschaft die Preise zwar signifikant sinken werden. „Dennoch wird Wasserstoff auch bei günstiger Entwicklung schätzungsweise um den Faktor 2 teurer bleiben, als wir es bislang von den fossilen Energien gewöhnt waren“, wie Professor Schlögl dazu sagte. Es muss jedoch immer wieder daran erinnert werden, dass der derzeitige Preis fossiler Energien nicht den wahren Preis abbildet. „Wenn man es mit der Klimawende ernst meint, muss man ehrlich sagen, dass Energie nie mehr so günstig sein wird, wie wir es bislang gewöhnt sind“, gab Schlögl zu Bedenken. Dennoch führt nichts an einem schnellen Umbau des globalen Energiesektors vorbei. Das können wir uns vor dem Szenario der Erderwärmung mit seinen unabsehbaren Auswirkungen nicht leisten.

Schlögl ist überzeugt, dass Wasserstoff die Technologie des Jahrhunderts wird. „Das wird die kommende Cash-Cow, mehr als Erdgas und Kohle zusammen.“ und fügte hinzu:

„Die Gefahr besteht, dass wir – wie bereits bei den Erneuerbaren Energien geschehen – auch bei Wasserstoff unseren Vorsprung im technologischen Know-how verlieren und die Industrie abwandert. Wir müssen also schnell sein: Die Welt wartet nicht auf Europa“, konstatierte der Wasserstoff-Experte.

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