Wie lohnenswert ist es?
Fotos Marcus Meyer, Klimahaus Außenansicht
6 Millionen Menschen haben bereits das Klimahaus in Bremerhaven besucht.
Wir fragten uns, was uns dort erwartete? Die erdrückende Aufbereitung des bevorstehenden Weltuntergangs? Erschreckende Klimatabellen und Bilder zu schmelzenden Polen und auseinanderbrechenden Eisschilden, Eisbären auf verlorenem Posten? Bilder, die man zur Genüge kennt und die einem ohnehin schon genug schlechte Laune machen. Würde sich der Besuch lohnen? Wir wollten es wissen und besuchten das Klimahaus ausgerechnet an einem sehr regnerischen, windigen Tag, an dem wir nicht die einzigen waren, die es nach drinnen zog.
Bewusst hatten wir uns vorab nicht über das Klimahaus in Bremerhaven informiert und hatten geplant, es vorbehaltlos auf uns wirken zu lassen.
Der futuristische Bau an der Bremerhavener Hafenpromenade wirkte mit seiner hellen, beschwingten Architektur insgesamt sehr einladend. Unsere Rucksäcke mussten wir allerdings in einem schmucklosen Untergeschoss einschließen, das durchaus schöner hätte gestaltet werden können.
Draußen also prasselte der Regen gegen die großen Fenster zur „Waterfront“ und wir erklommen gespannt die interessanten Treppenformationen (Kinder lieben sie) zur ersten Etappe. Wie erwartet war es voll im Klimahaus, so voll, dass wir eingeklemmt und weit abgeschlagen in einer Menschentraube die Einführung durch einen Klimahaus-Mitarbeiter akustisch nicht verstehen konnten. Daher wussten wir nicht, was uns erwartete, als wir nach einer kleinen Wartezeit in einen kinoähnlichen Eingang, der wie ein übergroßer Fahrstuhl aussah, eingelassen wurden. In dem kleinen dunklen Raum lief jetzt ein Film ab, der den Leitfaden für die Ausstellung zeigte.
Auf der Leinwand sah man einen Mann, der morgens in seiner Wohnung in Bremerhaven von einem Wecker geweckt wurde und sich leicht gequält aus seinem gemütlichen Federbett erhob. So weit kam das Ganze noch vielen von uns bekannt vor. Dann aber ging es keineswegs gewöhnlich weiter. Axel Werner, so der Name des Mannes, packte nach kurzen morgendlichen Vorbereitungen sein überschaubares Reisegepäck zusammen und hinterließ eine vielsagende Ansage auf seinem Anrufbeantworter. Wie alle gingen mit dem Filmemacher auf eine Reise entlang des 8 Längengerades (um genau zu sein „Längengrad 8 Grad Ost 34), der uns in die unterschiedlichen Klimazonen von Nord nach Süden und wieder zurückbringen würde, ein Abenteuer für Groß und Klein.
Los ging es per angedeuteter Bahnfahrt auf die erste Etappe in die Schweiz, in der wir das Hochgebirgsklima rund um Isenthal im Kanton Uri erlebten. Einer der Höhepunkte hier war eine (nachgebaute) Kuh, die man melken konnte, aber wir hatten keine Chance, da der Andrang zu groß war. Auf den ersten Etappen kam es gerade bei den Nadelöhren und besonders interessanten Stationen immer wieder zu längeren Besucher*innen-Staus. Hier entpuppte sich der chronologische Aufbau der Ausstellung als hinderlich, da wir sinnvollerweise die einzelnen Stationen in der richtigen Reihenfolge durchlaufen wollten und daher gezwungen waren, im Pulk mitzuwandern. Allerdings entfaltet gerade der durchgetaktete Ablauf durch die Stationen „der Klimareise“ einen Sog, denn so wusste man als Besucher genau, welche nachfolgenden Stationen einen erwarteten, und man war angehalten, bei der Stange zu bleiben. Wie bei einer richtigen Expedition.
Alle Stationen verströmten eine ureigene Faszination, es war reizvoll und spannend in die unterschiedlichen Lebenswelten und klimatischen Bedingungen einzutauchen.
Von der teils beschwerlichen, teils malerischen Schweizer Bergwelt ging es ins landschaftlich sehr reizvolle Sardinien, das durch zunehmende Hitze und Austrocknung immer stärker Waldbrand gefährdet ist, weiter in das noch viel heißere Niger, einem Land das zu einem Großteil aus Wüste besteht. Im feuchtheißen Klima Kameruns führte uns der Weg durch die reiche, dichte Welt des Regenwaldes, bevölkert von einer Vielzahl an Pflanzen und Tieren. Die nächste Station dazu war ein heftiger Kontrast: Im Königin-Maud-Land in der Antarktis empfingen uns Kälte, Eis und Schnee und noch dazu eisige Winde.
Stationen auf der Klima-Weltreise
Nach der Antarktis war nun die erste große Pause vorgesehen. Entweder in den Gastronomieangeboten des Klimahauses oder mit eigenem Proviant, der erst aus dem Untergeschoss herangeholt werden musste. Selbstverpflegung war nur auf denen als Felsformationen getarnten Treppenstufen im Foyer des Klimahauses vorgesehen. Wir entschieden uns für ein schnelles Picknick auf den Stufen. Wenn man es mit der gemütlichen Sitzecke im Wissens-Museum Universum in Bremen vergleicht, war diese Snack-Möglichkeit definitiv die Schmalspur-Variante. Doch aus Empfehlungen wissen wir, dass sich auch der Besuch im Restaurant des Klimahauses lohnt, die hier angebotenen Gerichte und Snacks sollen lecker sein und werden klimaneutral zubereitet.
Nun besuchten wir nach der Pause als erstes einen Vortrag zu Wetter-Extremereignissen ganz im Obergeschoss des Klimahauses, der die willkommene Ablenkung bot, zu sitzen, zuzuhören und neue Kraft zu tanken. Hier auf den obersten Etagen mit seinen verschiedenen Ausstellungen zu Klima und Wetter hätte man allein schon viele Stunden zubringen und viel Wissenswertes erfahren können.
Da wir aber bereits viele Stunden im Klimahaus verbracht und noch ein großes Stück der klimatischen Weltreise vor uns hatten, machten wir uns auf zu den nächsten Stationen. Zugegebenermaßen waren wir bereits von den vielen Erfahrungen und Informationen so ermattet, dass wir nunmehr ein wenig schneller und oberflächlicher durch Samoa (+ der kleinen Insel Tokelau), Alaska und der Halllig Langeness „hindurchbummelten“. Es waren auch hier viele großartige Ideen vorhanden, um in die so unterschiedlichen Lebenswelten der Südseeparadiese sowie in das von Schnee und Kälte geprägte Leben der beiden Yupik-Kinder Steven und Taylor auf der einsamen Insel St. Lawrence Island in Alaska und bei Jutta auf der norddeutschen Hallig einzutauchen.
Die Fotos vom Klimahaus stammen von den Fotografen Florian Müller, Jan Rathke, Marcus Meyer und Laurence Delderfield. Die restlichen sind von privat
Im Klimahaus wird an vielen Stellen sehr einfühlsam und nur selten drastisch gezeigt wird, wie sehr der Klimawandel bereits Einzug in das Leben der Menschen, die auf dem Längengrad 8 Grad Ost 34 leben, gehalten hat. Es wird gezeigt, wie die Klimakrise die Gegebenheiten vor Ort oftmals erschwert und verschlechtert und den Reichtum an Pflanzen, Tieren und die gut austarierten klimatischen Bedingungen gefährdet. Nichtsdestotrotz ist der Besuch im Klimahaus eine heitere, eindrucksvolle, spannende, und positive Erfahrung. Der Besuch zeigt, wie bei aller Unterschiedlichkeit der Stationen auf den verschiedenen Kontinenten die Welt auf unserem Planeten von atemberaubender Schönheit ist und wie sehr es uns alle angeht, diese Schönheit zu schützen, zu bewahren und zu fördern.
Man wünschte sich, dass das Beispiel des Klimahauses an anderen Orten der Welt Nachahmer fände, dass es noch viel mehr solcher eindrucksvollen Klima-Reisen auf vielen verschiedenen Breiten und Längsgraden auf dieser Welt in dieser Form gäbe, und dass mehr Menschen damit die Möglichkeit erhielten, an einem einzigen Tag mit so vielen handfesten Einblicken zum Thema Klima und den veränderten Lebensgrundlagen durch den Klimawandel in Berührung zu kommen. Denn diese Erfahrungen sensibilisieren und begleiten einen noch lange, auch wenn man nicht mehr auf dem 8. Längsgrad wandelt
Außenansicht Klimahaus, Laurence Delderfield.
Grundsätzliche Informationen
Das bietet das Klimahaus
Die permanenten Ausstellungen:
Die Reise –
Perspektiven, Begib dich auf Spurensuche des Klimawandels in der
Geschichte der Erde!
World Future Lab
– viele spannende Sonderausstellungen, Wetterextreme – Ihre
Ursachen und Folgen
– Sonderausstellung: Mehr als Wetter
Positiv
– Sehr lohnenswerter Besuch für Erwachsene und Kinder
– anderer Zugang zu dem Thema Klimawandel, der den Mikro-Blick wählt – Das Eintauchen in die verschiedenen Klimazonen mit unterschiedlichen Lebensweisen an unterschiedlichen Orten, sehr abwechslungsreich, sehr lebensnah
– die Ausstellung Reise wählt einen unkomplizierten didaktischen Zugang bei dem komplexen Thema der menschengemachten Erderwärmung, vertiefende Fakten und Hintergründe zum Klima-Thema sind dann in den Ausstellungen im Obergeschoss zu erhalten
– tolle Architektur des Klimahauses
– ein Restaurant, das klimaneutrale Snacks anbietet
– zahlreiche Veranstaltungen, wie Lesungen oder Vorträge
– das Klimahaus lässt sich auch für Events und sogar für Feiern buchen, z.B. Hochzeitsfeier am Südseesandstrand von Samoa….
– Kindergeburtstage (z.B. Safari oder Schatzsuchen) und Übernachtungen möglich
– der Reisepass des Klimahauses: Eigentlich eine sehr schöne Idee. Eine begleitende Wissenssafari und ein zusätzlicher Ansporn: An den einzelnen Etappen können die Kinder sich Stempel für ihren Reisepass holen und Rätsel aus der Ausstellung lösen. Warum der Reisepass noch verbesserungswürdig ist, erfahrt ihr unten
Das könnte besser laufen
– Es könnte ein schönerer Bereich für die Selbstverpflegung eingerichtet werden
– Bei dem Eintrittspreis könnte der Reisepass ( 1,50 Euro pro Stück) auch inkl. sein.
Schade ist zudem, dass man den Klimahaus-Reisepass entweder nur an den Eingangskassen oder im Online-Shop erwerben kann. Wir mit unseren Online-Tickets hatten keine Lust, uns extra in die Kassenschlangen einzureihen, um den Reisepass zu kaufen, auch wenn wir die Idee als solches toll fanden. Von einer Freundin haben wir folgendes Feedback zum Reisepass bekommen: Sie hatte ihrem Sohn den Reisepass gekauft, der ihn spitze fand und ihn begeistert ausgefüllt hat. Am Ende gab es für komplett ausgefüllte Reisepässe vom Klimahaus noch ein Minigeschenk in Form eines nicht gut gemachten Lesezeichens (so ein Mitgebsel wiederum wäre in den Augen der Mutter nicht notwendig gewesen) und das Kind war davon eher enttäuscht als glücklich. Das Lesezeichen war zwar aus Holz, aber in Billo-Manier gefertigt, so dass auf Anhieb klar war, dass es nicht lange halten würde. Etwas Nachhaltigeres, Langlebigeres wäre schöner gewesen.
Tickets
Preise: Der Besuch im Klimahaus ist nicht günstig. Angesichts der Fülle an Angeboten und aufwändigen Gegebenheiten (inkl. Tierhaltung und Aquarien) sind die Preise aber angemessen.
Dennoch werden die Ticketpreise sicher einige Menschen aus nachvollziehbaren Gründen von dem Besuch abhalten. Gerade angesichts der Bedeutung, die solchen Institutionen wie dem Klimahaus bei einer Annäherung und Bewusstseinsöffnung in Bezug auf die Klimaproblematik zukommen, wäre es wünschenswert, dass das Klimahaus auch Menschen, die sich den Eintritt nicht oder nur schwer leisten können, hier entgegenkäme.
Großartig wäre es, wenn es z.B. einen Tag in der Woche gäbe, wo das Museum gratis zu besuchen wäre. Andere Länder machen es vor. Das allerdings wäre sicher etwas, wo auch die Politik gefragt wäre.
Eine Auswahl der Ticketpreise (Stand Dez. 2023)
Das Zeitfenster-Ticket (das heißt, der Besuch hat in diesem Zeitrahmen zu erfolgen) kostet
für Erwachsene 22 Euro
für Jugendliche (14-17 Jahre) und zur Ermäßigung-Berechtigte 17 Euro
für Kinder (3-13 Jahren) 13 Euro
Kinder unter drei: kostenfrei
Für eine vierköpfige Familie (ein Teenager, ein Kind) macht das 74 Euro für einen Besuch im Klimahaus.
Das Flexticket immerhin drei Jahre gültig, Uhrzeit variabel
für Erwachsene: 25 Euro
für Jugendliche/Ermäßigte: 20 Euro
für Kinder: 16 Euro
Für eine vierköpfige Familie (ein Teenager, ein Kind) macht das 86 Euro
Empfehlenswert: Ein Jahresticket
für Erwachsene: 49 Euro
für Jugendliche/Ermäßigte: 39 Euro
für Kinder: 19 Euro
Ein Jahresticket ist lohnenswert, vor allem wenn man in Bremerhaven oder im Umkreis wohnt. Denn das Klimahaus bietet soviel, dass man auch getrost mehr als einmal im Jahr hier aufschlagen kann. Zwölf Monate lang (ab Kaufdatum) kann man damit so oft auf Weltreise gehen, wie man möchte.
Beim Jahresticket gibt es aktuell eine besonders günstige Jahreskarte mit Festtags-Angebot
Es gibt noch mehr Ticketvarianten, wie z.B. Gruppentickets, die den Besuch erheblich günstiger machen. Hierzu geht es zur Ticktet-Seite des Klimahauses.
Barrierefreiheit
Das Klimahaus versucht nach eigenen Angaben die Barrierefreiheit so gut es geht in den Ausstellungen und auf den einzelnen Ebenen umzusetzen. Bei der Ausstellung „Reise“ ist das sicher nicht an allen Etappen (z.B. die Kraxeltour in den Schweizer Bergen) in gleicherweise möglich, aber wir konnten so einiges an Fahrstühlen ausmachen. Da wir bei unserem Besuch nicht auf Barrierefreiheit angewiesen waren, können wir dazu aber keine aussagekräftige Bewertung abgeben.
Die Informationen zur Anreise finden sich direkt auf der Website.
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